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Gutachten
Wandbild von Günther Friedrich in Guben

EINORDNUNG DES WANDBILDES IN DAS SCHAFFEN VON GÜNTHER FRIEDRICH
... Der Maler aus Cottbus bevorzugte die Statik und die Stille lapidarer Gegenstände und ließ sie in malerischer Reduktion eine an sein Vorbild Giorgio Morandi erinnernde, suggestive Kraft entfalten, die sich in seinen lakonisch einfachen, ausgewogenen, aber doch zumeist statisch wirkenden Komposi-tionsprinzipien fortsetzte. In der horizontalen und vertikalen Gliederung verlieren sich die Figuren und Gegenstände einer geringfügig strukturierten, als Raum kaum wahrnehmbaren Fläche, die lediglich durch Farben leicht moduliert und modelliert wird. Die zum Einsatz gekommene Farbskala war überaus verhalten und unaufdringlich, reduziert auf stumpfe braune, blaue und grüne Grundtöne, die auch das Gubener Wandbild weitgehend bestimmen. Wie in seinen Ölbildern und deren asketischer Auffassung ist die Gubener Darstellung von einem zeichnerischen Gerüst, von spröder Substanz in der malerischen Ausführung und durch einfache Flächenformen als Ausdruck, mehr noch als Zeichen für Räumlichkeit und Körperlichkeit, getragen.
Die wenigen Figuren und Gegenstände sind erkennbar mit Zeichenstift oder Zeichenkohle als Vorzeichnung auf den Putz gebracht, bevor die Umrisse dann mit Pinsel und Farbe gefüllt wurden. Dies geschah in geschlossenen Farbflecken wie auch in intervallartig aufgebrachten Pinselschlägen, welche die insgesamt ruhige, eher leer zu nennende Bildfläche stellenweise etwas beleben und rhythmisieren. Die wenigen figürlichen Bildelemente bilden ein summarisches Miteinander, ohne dass sie im Bildraum zueinander in Beziehung treten. Vor allem das uninspirierte Paar im Zentrum des Bildes, weder jung noch alt, ohne psychologisierende Charakterisierung, kann durch seine steife Körperhaltung und die starke Typisierung nicht zur Belebung des Bildes beitragen. Es wirkt in der ohnehin müden Szenerie wie aus einem Typensatz zusammengebaut und auf den Bildgrund appliziert. Lebensgroß, nahezu in ganzer Höhe ins Zentrum des Bildraums gesetzt, beherrschen die Figuren zwar das Bildgeschehen, doch von der Berührung ihrer Hände abgesehen, kommt es weder zwischen Frau und Mann noch mit der Umgebung zu einer wie auch immer gearteten Kommunikation. Das zwischenmenschliche Nebeneinander ist in eine geradezu stilllebenhafte Zuständigkeit eingebunden.
Auch wenn Friedrich die wenigen Gegenstände (Industriebetrieb, Kühe, Baumgruppe) in der Fläche pointiert und über sich hinaus hebt, herrscht in der Darstellung zu wenig Bewegung, zuviel Stillstand, zu viel Harmonie. Unterstützt wird dieser Eindruck durch die tonige Partikelmalerei und die flächenhaft verwendeten Farben, die in erdiger Gebundenheit von lichtem Ocker bis zu grün gehöhtem Braun reichen und eine Andeutung von karger Landschaft vermitteln. Mit der großen, reduziert dargestellten Betriebsanlage im Grünen wird der Eindruck vom Glauben an ungebremsten technischen Fortschritt als Sinnbild jener Jahre vermittelt. Hingegen bilden die Kühe mit Kalb eine aufeinander bezogene, in sich geschlossene Gruppe, die außerhalb und unabhängig vom konkreten Geschehen funktioniert. In der zeichnerischen Durchdringung entfernt an die Tierdarstellungen eines Franz Marc erinnernd, ist im Gegensatz zu den intensiv farbigen Bildwerken des 1916 gefallenen Expressionisten die Farbe erkennbar zurückhaltender eingesetzt. Aber auch dieses Bild im Bild kann den Sinn dieser Distanz gebietenden Malerei nicht hinlänglich erklären.
Warum Günther Friedrich als sich der Gestaltung dieser Wand angenommen hat, kann heute nur vermutet werden. Die soziale Problematik der 1960er Jahre, die von der Umgestaltung der privatwirtschaftlichen Landarbeit zur sozialistischen Kollektivwirtschaft nach sowjetischem Vorbild geprägt war, hat wohl eher keine Rolle gespielt. Für einen möglicherweise entscheidenden Hinweis sorgt die Kunsthistorikerin Susanne Lamprecht aus Cottbus. Sie hat Friedrichs malerisches und grafisches Werkverzeichnis dokumentiert und veröffentlicht. Im begleitenden Text erwähnt sie, dass ihm (G. F.) von Seiten des Künstlerverbandes zwecks Aufbesserung seiner finanziellen Situation empfohlen worden war, sich mehr um Aufträge im Bereich „Kunst am Bau“ zu bewerben. Immerhin war die “architekturbezogene Kunst in der DDR […] vom Opportunismus des Geldverdienens ebenso gekennzeichnet wie vom ehrlichen sozialen Engagement“ . Dass ihm als ausgewiesenen Tafelmaler, der vorwiegend in kleinen Formaten arbeitete, hinsichtlich seines bisherigen Schaffens Zweifel an dieser Aufgabenstellung gekommen sind, darf angenommen werden. Immerhin erforderte die Arbeit des bildenden Künstlers am oder im Bau eine spezielle Ausbildung und Eignung. Künstlerische Gesetzmäßigkeiten der Tafelmalerei oder der Grafik lassen sich nicht mechanisch auf die Wandmalerei übertragen. Möglicherweise hat ihn die Meinung einiger damaliger Theoretiker ermutigt, die dem bildkünstlerischen Element im architektonischen Ensemble reine Dekor-Funktion zu wiesen, während andere die unmittelbare Übertragung von Prinzipien der Tafelmalerei auf die monumentale Wandgestaltung befürworteten. Mit der additiven, gleichwohl unverbindlichen Szenenkomposition, kam Friedrich den damaligen Gesetzmäßigkeiten zwar nahe, von künstlerischer Bewältigung hingegen kann nicht gesprochen werden.

ZUR TECHNIK DES WANDBILDES: SILIKATMALEREI
Günther Friedrich hat mit der Silikatmalerei zu einer Technik gegriffen, die leicht zu handhaben war und eine uneingeschränkt lange Lebenszeit garantierte. Die Silikatmalerei (auch Mineralmalerei genannt) gehört zur Familie der Secco-Techniken. Sie wird auf trockenem, abgebundenem und hochwertigem Kalk- oder Zementputz bzw. wie in der Diesterweg-Schule, auf vorbehandelten Beton aufgebracht. Verwendung finden kalkechte Pigmente, denen trockene, pulverförmige Bindestoffe wie Tonerdehydrat, Magnesiumhydrat oder Glaspulver als Silikatbildner beigegeben werden. Als feuchtes Bindemittel wird Kaliwasserglas (Gemenge aus Quarzsand und Kaliumcarbonat) als so genanntes Wasserglas mit verschiedenen Stabilisatoren eingesetzt mit dem Ziel, auf der Wand eine freskoähnliche Wirkung zu erzeugen, die sich durch hohe Lichtbeständigkeit und Klimaunabhängigkeit auszeichnet. Die obere Schicht des Zement-Mörtelputzes wird mit einer Ätzflüssigkeit (im Verhältnis 1:3 Wasseranteile) getränkt, um die Kalk-Sinter-Kruste zu entfernen. Anschließend erfolgt der Auftrag des mit Wasser vermengten Farbgemisches direkt auf den vorbehandelten Kalk-Zementputz, der Silikatbildner enthält. Der nach kurzer Zeit einsetzende Trockenvorgang auf der Wand erfolgt durch Bildung freier Kieselsäure, wobei die Farbe auf dem Untergrund gewissermaßen versteinert. Dabei bleiben die Poren offen, was den späteren Austausch von Luft und Feuchtigkeit gewährleistet.
ZUSTAND DES WANDBILDES IM MÄRZ 2012
Die bildliche Darstellung ist von ihrer Substanz sehr gut erhalten. Lediglich kleinere Ausbrüche in der Malschicht wie auch einige wenige, wahrscheinlich von Schülern aufgebrachte Kritzeleien, beeinträchtigen den Gesamteindruck eher geringfügig. Sehr viel deutlicher zerschneidet die bereits erwähnte, mit Metallhalterungen übersäte Leiste aus Kiefernholz, die ohne jedes Gespür angebracht wurde, die Darstellung. Über die gesamte Bildbreite wurde die 5,0 cm x 1,8 cm starke Latte an vielen Stellen mit der Wand verschraubt, um Paneele fixieren zu können, hinter denen das Wandbild bis vor kurzem verschwunden war. Sowohl die Anbringung der umlaufend das Bild rahmenden, als auch die quer verlaufende Leiste, welche die Darstellung willkürliche in zwei Hälften zerschneidet, lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass dieser großflächigen Malerei zum Zeitpunkt der Verkleidung keinerlei Bedeutung mehr beigemessen wurde.
 
 
 
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