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Kleist, Pückler und das ewig Weibliche...
Ausstellung im Auftrag des Kleist-Museums Frankfurt (Oder) in Schloss Branitz (Eröffnung am 26. August 2010) und im Schloss Bad Muskau ab November 2011
Kleist, Pückler und das ewig Weibliche… Heinrich von Kleist, Hermann Fürst von Pückler-Muskau und die Frauen Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen mit Kleist und Pückler zwei Geistesgrößen aus dem Übergangszeit vom 18. zum 19. Jahrhundert , zwei Adlige, die sich zeitlebens nicht begegnet sind, deren Leben und Werk jedoch untrennbar mit weiblichen Protagonisten verbunden war. Gegenstand der Präsentation wird also die Beziehung beider Männer zu den Frauen sein, die untersucht und an Fallbeispielen dargestellt werden soll. Während Pückler den Frauen in seinem Leben eher ein romantisch-spielerischer Gefährte war, der Sinnlichkeit sehr wohl als Wesensmerkmal einer Beziehung zu genießen verstand und angetraute Herzensdamen gelegentlich benutzte, um seine Interessen andernorts durchzusetzen, tauchen bei Kleist im konfliktreichen und hochkomplizierten Wechselspiel geschlechtlicher und offener Bindungen sowohl innige Liebesbeziehungen als auch der rücksichtslose Kampf der Geschlechter auf, dem der Autor des Käthchen von Heilbronn oder der Penthesilea bis heute bleibende Modernität und Bühnenpräsenz verdankt. Bis zum Freitod am Wannsee bleiben nahestehende Frauen als Rat- und Geldgeberin mit Kleist und seinen literarischen, publizistischen und dramatischen Erfolgen oder Misserfolgen auf rätselhafte Weise verbunden. In der Ausstellung werden die hauptsächlichen realen und die fiktiven Frauenfiguren und ihre Einflüsse auf Kleists Leben und Werk vorgestellt und ihr Handeln bewertet. Während Ulrike von Kleist, Wilhelmine von Zenge und Marie von Kleist als Vertreterinnen konkreten Lebensumständen entstammen, werden die Akteurinnen aus den Erzählungen Die Marquise von O… und Die Verlobung von St. Domingo die literarischen Frauenrollen abdecken. Penthesilea und Käthchen von Heilbronn besetzen als Antipoden stellvertretend die Bühnenfiguren. Fürst Pückler gilt als ein Mann, der mit ganz unterschiedlichen Frauen ganz unterschiedlich umgeht. Bevorzugt sind drei Typen: die mütterliche Orientierungsperson, die intellektuelle Freundin und Ratgeberin, die sinnlich anziehende Kindfrau. Austausch und Rollenspiele mit diesen Frauen haben Pückler eine facettenreiche Identitätskonstruktion ermöglicht. Hervorgehoben und für diese Ausstellung relevant erscheinen Lucie von Hardenberg, Helmine, Henriette Sontag, Machbuba und Bettina von Arnim. Für die Geschlechtergeschichte wird in diesem historischen Zusammenhang v. a. die Überlagerung eines klassischen Frauenideals interessant. Das Bild der Frau als Dienerin und Bewunderin des Mannes, wie es noch für die Befreiungskriege wichtig war und wie es auch Schiller vertreten hat, trifft mit dem der Jenaer Romantik, die Gleichberechtigung und Seelenverwandtschaft zum Ideal erhebt und durch den Code Napoleon rechtliche Brisanz bekommt, zusammen. Erhellend in diesem Zusammenhang der Hinweis auf Goethes Wahlverwandtschaften, in denen diese Modelle dargestellt und literarisch erprobt werden. Der Weimarer Dichterfürst war - unter umgekehrten Vorzeichen - auch für Kleist Karriere entscheidend. Trotz deutlicher Unterschiede erscheinen beide Autoren als begabte Briefschreiber, die gern komplexe Rollenspiele inszenieren. Wie bei Pückler lassen sich auch bei Kleist ähnliche Typen differenzieren, eine Rollenzuweisung erscheint aber schwieriger und uneindeutiger. Beide Autoren kehren, zumindest rhetorisch, Macht- und Geschlechterverhältnisse um. Kleist ordnet sich Wilhelmine und Ulrike auch mal unter, Pückler weist sich schon mal selbst die ‚weibliche Rolle’ und Frauen die Rolle des männlichen Führers zu. Das Spiel mit unsicheren Geschlechterrollen beginnt bei Kleist, wenn er seine Halbschwester und intellektuelles Gegenüber Ulrike „Amphibion“ nennt. |